Annette Dobesch - Einblicke

Unternehmensmagazin

Kundenmagazin "Mehr sog i ned"

Der Seniorchef eines bayerisch-belgischen Unternehmens wünschte sich ein Kundenmagazin. Sein Plan änderte sich, als die Geschichte einer belgischen Mitarbeiterin nach der ersten Präsentation des Textkonzepts alle Kollegen verzauberte. Ihr Zitat entwickelte sich zum geflügelten Wort in beiden Ländern, weit über die Broschüre hinaus.

Projektzusammenfassung

Für eine Jubiläumsbroschüre übernahmen wir das gesamte Editorial Design: Konzeption, Strukturplanung, Gestaltungsraster, Interviews, Porträts und Imagetexte.

Anlass: Unternehmensmagazin zum Firmenjubiläum
Format: DIN A4 Hochformat, 48 Seiten
Umfang: Komplettes Editorial Design inklusive Druckmanagement

Kundenmagazin-Gestaltung
Kundenmagazin-Gestaltung

Hintergrund: Bayern ist das Land der Rindviecher

"Das schönste habe ich geheiratet."

Mit diesen Worten erinnerte Charlotte ihre Mutter an deren Abschiedsworte einunddreißig Jahre zuvor. Damals ist die Mutter überzeugt, dass ihr Kind im fernen Bayern niemals etwas so Schönes finden wird wie im heimischen Belgien. Die Ardennen, die Nordsee und die Weite der flämischen Küste – wie kann man Flandern gegen das Land der Rindviecher tauschen?

Tochter Charlotte ist anderer Meinung. Sie ist dreiundzwanzig und wissbegierig und ergreift im Sommer 1988 eine einmalige Chance: sie darf im bayerischen Hauptsitz ihres Arbeitgebers eine Weiterbildung absolvieren. Für die quirlige junge Frau genau das Richtige, denn sie will mehr von der Welt sehen. In Bayern will sie alles entdecken, was für ihre Mutter unvorstellbar ist. Das sind nicht unbedingt Kühe, denn die gibt es in Belgien reichlich.

Es sind vielmehr die Assoziationen mit Kühen, auf die sich Charlotte freut. Satte, grüne Wiesen und Almen. Der atemberaubende Blick von den Alpen über das bayerische Land. Biergärten unter ausladenden Kastanienbäumen und kleine Seen, die sich in die hügelige Landschaft kuscheln. Diese Bilder kennt Charlotte bislang nur aus dem Fernsehen und sie bestärken ihren Wunsch, in eine Welt zu ziehen, die ganz anders ist als Belgien. Die Liebe zur neuen Heimat wächst rasant. Charlotte bildet schneller Wurzeln als gedacht. Denn mit dem neuen Freundeskreis kommt bald eine besondere Liebe. Diese Liebe ist fünfundzwanzig und heißt Bernd. Sein urbayerischer Dialekt, seine Naturverbundenheit und sein trockener Humor bestätigen Charlotte das, was sie schon immer spürte: in Bayern ist ihr Herz zu Hause. Seine Nähe zum bayerischen Brauchtum bindet sie noch enger an ihre Wunschheimat, denn der Zufall will, dass sie Bernd während eines Almabtriebs kennenlernt. Ausgerechnet in der Begleitung von Kühen.

Als Charlotte ihrer Mutter eines Tages unversehens mitteilt, das schönste geheiratet zu haben, erntet Charlotte einen verblüfften Blick. Sie erinnert ihre Mutter an die Abschiedsworte vor einunddreißig Jahren und daran, dass man im Land der Rindviecher eben doch glücklich werden kann. Der Rest ist belgisch-bayerische Liebe.

Erinnerungen wie diese haben mir vor Augen geführt, dass man Menschen erst durch ihre Biografien kennenlernt. Die kleinen Anekdoten des Alltags ebenso wie große Veränderungen.

Als der Seniorchef eines bayerischen Unternehmens mich eines Tages anrief und fragte, ob ich auch Lebensgeschichten schreiben könne, fühlte ich mich irritiert. Zuerst dachte ich, dass ich seine Memoiren verfassen sollte. Aber nein, das war nicht der Grund seines Anrufs. Er suchte eine Autorin, die ansprechend über die Erlebnisse seiner Mitarbeiter schreiben konnte. Für eine Jubiläumsbroschüre. Eine Art veredelte Mitarbeiterzeitschrift. Ich wurde neugierig.

Bei unserem ersten Treffen erklärte mir der Seniorchef, was er wollte. Und was er nicht wollte. Er hatte keine Lust mehr – so seine Worte – „auf die übliche, langweilige Melange aus tollen Maschinen, herausragenden Leistungen und Marketinggeblubber.“ Für seine Jubiläumsbroschüre wünschte er sich nahbare Texte, die man gerne und oft liest. Die Broschüre sollte ein Kaleidoskop der Menschen werden, die ihn seit Jahren im bayerischen Hauptsitz und in der belgischen Filiale begleiten. Das siebzigste Firmenjubiläum sollte ihre Geschichten würdigen, denn seiner Ansicht nach formt sich der Erfolg eines Unternehmens aus den Menschen, mit denen man Tag für Tag zusammenarbeitet.

Ein besonderer Blickwinkel verdient eine besondere Herangehensweise. Also nahmen wir uns Zeit und fragten die Belegschaft, ob sie Lust hatten, aus ihrem Leben zu erzählen. Sie hatten große Lust und ich begann, zu schreiben. Ich traf mich mit den Angestellten in der Hauptgeschäftsstelle und lauschte ihren Erzählungen. Die Gespräche mit den Kolleg:innen in Belgien führte ich per E-Mail, Telefon oder Videokonferenz. Kein Interview glich dem anderen. Jeder hatte eine andere Pointe im Repertoire. So lernte ich Charlotte kennen, die sich ins Land der Kühe verliebte. Aus unseren Gesprächen sind nicht nur besondere Geschichten entstanden, sondern auch unvergessliche Begegnungen.

Eine Mitarbeiterin in Belgien lud mich sogar ein, sie zu besuchen und die flämische Küste zu bewundern, von der sie mir stundenlang vorschwärmte. Eines Tages werde ich gemeinsam mit Charlotte hinfahren und sicherlich feststellen, dass auch Belgien ein Land schöner Rindviecher ist.

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Das generische Maskulinum in allen Texten bezieht sich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Mehrfachbezeichnung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.